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Zitat von Toasty96
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"Von einem Grundsatz ausgehen – behaupten erfahrene Menschen – soll sehr verständig sein. Nun gut, so gehe ich von dem Grundsatz aus, daß Langeweile die Wurzel allen Übels ist. Oder will jemand so über alle Maßen langweilig sein, daß er mir hierbei zu widersprechen wagte?
Wie schrecklich die Langeweile ist, das erkennen nun auch die Menschen in ihrem Verhältnis zu den Kindern ganz und voll an. Solange die Kinder sich amüsieren, so lange sind sie stets liebe, artige Kinder, und das meinen wir in ganzem, vollem Ernst; denn werden sie beim Spiel wild und unbändig, so kann man ziemlich sicher annehmen, daß die Langeweile bei ihnen im Anmarsch ist. Wenn man sich daher ein Kindermädchen mietet, so sieht man nicht nur darauf, daß sie nüchtern, treu und ordentlich ist, sondern nimmt auch ästhetische Rücksichten, ob sie die Kinder recht unterhalten kann. Und unbedenklich würde man ein Kindermädchen aus dem Dienst entlassen, wenn sie diese ihre Pflicht nicht erfüllen könnte, und wäre sie sonst auch noch so gut. Hier sieht man ja klar und deutlich, daß das Prinzip anerkannt wird; aber wie seltsam geht es doch in der Welt her: der Dienst eines Kindermädchens ist das einzige Verhältnis, in welchem der Ästhetik ihr Recht wird. Wollte man sich von seiner Frau scheiden, oder einen König absetzen, einen Pfarrer in die Verbannung schicken, einem Minister den Abschied geben, oder über einen Journalisten das Todesurteil sprechen, nur weil sie langweilig, oft rasend langweilig seien, so würde man schwerlich zum Ziele kommen. Was Wunder denn, daß es mit der Welt nicht vorwärts will, und das Böse mehr und mehr um sich greift, da es ja immer langweiliger auf Erden wird.
Das kann man von Anfang der Welt her verfolgen. Adam langweilte sich, weil er allein war, deshalb wurde ihm Eva gegeben; darauf langweilten sich Adam und Eva, und Kain und Abel en famille; dann mehrten sich die Menschen, und die Menschen langweilten sich en masse. Um sich zu zerstreuen, wollten sie einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reichte. Dieser Gedanke ist gerade so langweilig wie der Turm hoch war, und ein schrecklicher Beweis dafür, daß die Langeweile schon eine große Macht geworden war. Dann wurden die Menschen über die ganze Erde zerstreut – man reist ja auch heute noch ins Ausland, um sich zu zerstreuen - , aber sie hörten nicht auf, sich zu langweilen. Und welche traurigen Folgen hatte nicht diese Langeweile. Der Mensch stand hoch und fiel tief; zuerst durch Eva, dann vom babylonischen Turm.
Was hielt anderseits den Untergang Roms auf? Waren es nicht panis und circenses? Was thut man in unsrer Zeit? Sinnt man auf neue Zerstreuungen? Im Gegenteil, man verkündigt den Untergang der Welt. Man will einen Reichstag berufen. Kann es etwas Langweiligeres geben, sowohl für die Herren Abgeordneten selber, wie für die, welche ihre Reden lesen und hören müssen? Man will die Finanzen des Staates durch Ersparungen verbessern. Kann es etwas Langweiligeres geben? Statt die Schuld zu vermehren, will man sie abzahlen. Wie thöricht! Warum nimmt man nicht eine Staatsanleihe auf, aber nicht um Schulden abzuzahlen, sondern um dem Volke angenehme Zerstreuungen zu verschaffen. Laßt uns das tausendjährige Reich feiern und alle Tage herrlich und in Freuden leben. Überall müßten Teller mit Geld stehen. Alles würde gratis sein; das Theater, der zoologische Garten, das Tivoli u.s.w., und gratis würde man beerdigt. Ich sage absichtlich gratis; denn wenn man immer Geld hat, so ist alles gewissermaßen gratis. Keiner darf einen festen Besitz haben. Nur mit mir muß eine Ausnahme gemacht werden. Ich behalte mir 100 Thaler täglich vor, die auf der Londoner Bank gesichert sein müßten, teils weil ich so viel haben muß, teils weil ich diese Idee angegeben habe, und schließlich, weil man nicht wissen kann, ob mir eine neue Idee einfällt, wenn die Staatsanleihe verbraucht ist."
Sören Kierkegaard, Entweder-Oder, Kopenhagen 1848