Thema: Mythos RAF
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Alt 31.01.2007, 02:12
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Kamantun Kamantun ist offline
Frischling
 
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Zitat:
Zitat von MAXX Beitrag anzeigen
Richtig ist, dass es bei Personen mit gleichem sozialen Umfeld, gleicher Erziehung, gleicher Traumatisierung unterschiedliche Reaktionen auf z.B. Belastungen gibt.
Daraus allerdings zu folgern jeder sei deswegen für seine Reaktion verantwortlich und mit gleicher Härte zu verfolgen/zu bestrafen, ist wohl denn doch vermutlich zu kurz gesprungen.
1. Selbstverständlich ist ein jeder für seine Reaktion selbst verantwortlich. Wer denn sonst??

Klar können einen die Umstände zu bestimmten Handlungen provozieren, aber deswegen kann ich doch die Verantwortung für meine Reaktion nicht an die Umstände abgeben?

2. Hatte ich nicht gemeint, dass jeder Mord gleich ist und damit also auch gleich hart bestraft werden sollte. Mildernde Umstände kann es natürlich durchaus geben.

Ein Affektmörder wird ganz anders be- und verurteilt als ein Serienmörder. Und das völlig zu Recht.
Zitat:
Wie würdest du denn jemanden bezeichnen, der immer ein rechtschaffenes Leben geführt hat und dann irgendwann ganz kalt und planmäßig einen Menschen umbringt, wie z.B. der Mann der bei dem Flugzeugunglück am Bodensee seine Familie verloren hat, und Monate später einen Fluglotsen umbringt?
Ist das für dich ein Killer, dessen persönliche Entwicklung überhaupt keine Rolle spielt?
Meinst Du die persönliche Entwicklung vor dem Verlust seiner Familie?
Spielt sicherlich keine Rolle, nein.

Wenn wir von dem kurzen (und kaum als "persönliche Entwicklung" durchgehenden) Danach reden: Der Verlust seiner Familie ist ganz klar der Auslöser der Tat und grundsätzlich erst einmal ein strafmildernder Umstand, aber das dürfte wohl durch andere Dinge wieder relativiert werden:
- der Fluglotse war nicht der Mörder seiner Familie - auch wenn er vielleicht deren Tod ungewollt (mit)verschuldet hat
- Planmäßigkeit und eiskalte Ausführung ein paar Monate nach dem Unglück sprechen gegen einen "Mord im Affekt"

Was willst Du hören? Dass ich den Mann bzw. seine Tat trotzdem irgend wie verstehen kann? - Bis zu einem gewissen Punkt sicher, ja.

Muss ich nun aber noch seine ganze Lebensgeschichte/Entwicklung totanalysieren, um nachvollziehen zu können, wie es zu dieser Tat kommen konnte? - Nein, sicher nicht. Und ich würde in seiner Geschichte auch garantiert nichts finden, was im Hinblick auf eine zukünftige Verhinderung solcher Taten von Nutzen wäre.

Sie sind einfach nicht zu verhindern.
Zitat:
Wie würdest du denn jemanden bezeichnen, der/die den Mörder/Schänder ihres Kindes im Gerichtsaal umnietet. (Marianne Bachmeier)
Du machst das nicht ungeschickt. Wir wandern von noch halbwegs nachvollziehbaren Selbstjustiz-Morden so ganz langsam hin zu den Terroristen, die ja auch irgend wie und irgend wo etwas gaaanz wichtiges verloren bzw. unendlich gelitten hatten.

Das nenne ich allerdings ein Verwurschteln von Dingen, die miteinander rein gar nichts zu tun haben.

Zum Unterschied: Die Terroristen waren mal definitiv keine Affektmörder und sie haben auch niemanden umgelegt, der ihre Kinder/Familien ermordet (oder deren Tod ungewollt verschuldet) hätte. Mildernde Umstände: Null komma Null.
Zitat:
In solchen Fällen kannste doch nicht hergehen und behaupten: "Vergangenheit ist uninteressant, andere haben auch Ihre Familie (Flugunglück), Ihre Kinder (Bachmaier) verloren"
In solchen Fällen, wo die Vergangenheit darin besteht, dass gerade eben das eigene Kind ermordet wurde, kommt doch diese Vergangenheit bei der Beurteilung der Tat (Ermordung des Mörders) durchaus und mit Recht zur Geltung. (In dem Moment, wo die Mutter sechs Monate später einen Nachbarn wegen zu lauter Musik umnietet, - ebenfalls zu Recht - nicht mehr.)
Zitat:
Das sind Menschen die meinen aus ihrer inneren Not nicht anders herauskommen zu können. Es ist ein krankhafter Zustand.
Rachegedanken sind doch keine Krankheit. Sie sind ganz normal, wenn man Angehörige verliert und ein Schuldiger draußen herumläuft. Die Hemmschwelle, diese Rachegefühle auch in die Tat umzusetzen liegt bei jeden Menschen unterschiedlich hoch und ist zudem abhängig von Stärke der Rache- wie Verlustgefühle, Verarbeitungsmöglichkeiten und nichtzuletzt auch von der Möglichkeit, Rache zu nehmen.

Ein jeder würde wohl ganz schnell zum Mörder werden, wenn sein Kind eben von einem Killer umgebracht wurde - und man kommt gerade dazu und hat zufällig eine Waffe in der Jackentasche dabei.
Zitat:
Und genau diese Krankhaftigkeit kann (ganz klar: muß nicht) auch im Falle von Terroristen vorliegen.
Ich weigere mich, hier irgend welche imaginären Krankheiten anzuerkennen (wie heißen die denn?), und erst recht mag ich dieses Vereintopfen von terroristischen Killern und einer Mutter, welche den Mörder ihres Kindes umgebracht hat, nicht akzeptieren.

Das Leid einer Mutter, deren Kind gerade umgebracht wurde, und die sich nicht anders zu helfen weiß, als den Mörder ihres Kindes umzubringen, mit dem Leid von Menschen zu vergleichen, die mit der kapitalistischen Welt um sich herum nicht so recht klarkommen und daraufhin jede Menge vermeintlich Schuldige im Namen einer Weltrevolution wegbomben und hinrichten - das halte ich, gelinde gesagt, für albern.
Zitat:
So, und jetzt zur Zukunft:
1. wieso willst du denn Krankheiten nicht erforschen?
Du missverstehst mich. Ich will nur nicht, dass jeder Mörder zum Kranken erklärt wird, der irgend wie geheilt werden müsste und/oder könnte. Bei Betrügern, Erpressern, Schlägern oder Dieben redet doch auch niemand davon, dass die allesamt krank wären und einer staatlich geförderten Heilung bedürfen.

Im Übrigen gibt es doch wohl genügend (tatsächliche) Krankheiten zu erforschen - an jeder Menge Leuten, die nicht im Knast sitzen.
Zitat:
2. könnte das Wissen um psychosoziale Verknüpfungen ja auch präventiv hilfreich sein. Da bin ich im Gegensatz zu dir einfach anderer Ansicht.
Diese Ansicht sei Dir auch unbenommen. Vielleicht könnte ich sie ja eher nachvollziehen, wenn Du mal anhand der Lebensgeschichte eines Christian Klar (oder auch der eines anderen Mörders - des Gäfgen bspw.) erklärst, wie solch ein Präventiv-Nutzen konkret aussehen könnte.
Zitat:
Um das nochmal zu verdeutlichen: all das muß auf Herrn Klar nicht zutreffen, aber die Lebensgeschichte eines Menschen bei der Beurteilung seines Handelns schlicht pauschal und umfassend zu ignorieren, halte ich für falsch.
Nicht "pauschal und umfassend ignorieren" - das hatte ich nicht geschrieben und auch nicht gemeint.

Wie gesagt: Ob jemand vor zwei Monaten sein Kind durch einen Kinderschänder verloren hat, oder anders herum schon zig Vorstrafen wg. schwerer Körperverletzung aufzuweisen hat, muss bei der Beurteilung einer Handlung wie Mord selbstverständlich berücksichtigt werden.

Die Spekulationen (was anderes ist es ja nicht), ob ein Christian Klar nun aus diesen oder jenen Gründen/Umständen/Erlebnissen in seiner Lebensgeschichte zum Mörder wurde, sind natürlich interessant (und ich mache da ja auch gerne mit), aber erstens mag ich all diese Umstände nicht zu den eigentlich Verantwortlichen machen und zweitens kann ich darin so etwas wie einen gesellschaftlichen Nutzen oder eine Relevanz einfach nicht erkennen. Auch nicht im Sinne von Präventiv-Maßnahmen...
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Das Auge sieht, was es sucht.

Geändert von Kamantun (31.01.2007 um 08:03 Uhr).
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