Thema: Mythos RAF
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Alt 25.01.2007, 23:55
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Schon mal gleich gaaanz zu Anfang des Stranges -sogar im Strangtitel das erste Wort- ein diskussionswürdiges Wort, dass eigentlich schon viel vorwegnimmt, das aber ja wohl diskutiert werden soll.
Also wieso "Mythos" ?

Zitat:
Zitat von Kamantun Beitrag anzeigen
1. Beinahe jeder zweite bundesdeutsche Großstädter (vor allem aber aus Frankfurt und W-Berlin) in jungen Jahren war seinerzeit- je nach Bildungsgrad -, entweder mit weltrevolutionären Gedankengut (verklärtes Mao & Co.-Gesabbel) infiziert oder aber einfach völlig unrevolutionär auf abmatten, kiffen und Krawall machen (=mit den Bullen Spaß haben) aus.
die Unterscheidung in "entweder-oder" ist der Versuch eine gesellschaftliche Jugendbewegung in "gut" und "schlecht" aufzuspalten und somit zu schwächen.
Im Übrigen wurde beides -von den jeweiligen "Praktikern" durchaus als Form des Widerstandes gegen die herrschenden Zustände interpretiert.
Richtig ist, das den politischen "Guerillieros" die sog. Spaßguerilla immer ein Dorn im Auge war, was aber auf Gegenseitigkeit beruhte, da Letztere schon damals erkannten, dass die "politischen" irgendwann in den Parteien und Vorstandsetagen landen würden.
Zitat:
Oder um es anders zu formulieren: Die damalige extremistische, gewaltbereite Szene (ich schreibe mit Absicht nicht "linksextrem", weil einige bis viele überhaupt nicht "links" waren - das fängt schon beim RAF-"Gründungsmitglied" Baader an...), war weniger ein punktuelles, als vielmehr ein Massenphänomen.
dieser Satz stimmt dahingehend, dass es -wie ich es oben schon als Jugendbewegung bezeichnet habe- durchaus ein Massenphänomen war.
Nicht zutreffend hingegen ist der eingeschobene Baader-Hinweis. Natürlich gab es in der Bewegung auch Personen denen Eitelkeiten und kriminelle Energien zuzusprechen sind, aber.
1. war das nicht die Regel
2. wurde dieses Baader-Beispiel oft angeführt, um die Täter als einfache Kriminelle darzustellen, und Ihnen die berechtigten politischen Ziele abzusprechen. Jemanden zum Kriminellen zu reden/schreiben/machen war zu damaliger Zeit einfacher, als zuzugeben bzw. anzuerkenenn dass einiges im Argen lag in der bundesrepublikanischen Nachkriegsgesellschaft.
3. schließt Kriminell sein (wobei eigentlich sogar erst mal zu klären wäre, wer die Kriterien für "kriminell" festlegt bzw. wie es zu der Definition kommt) nicht zwangsläufig aus, dass sich jemand gesellschaftskritisch, sozial, politisch einsetzt. (ich verzichte hier absichtlich mal auf Beispiele aus der jüngeren aktuellen Zeit bzgl. Kriminalität und Politik )
4. es sollte nicht vergessen werden, dass es sich bei der RAF zwar um eine ausschließlich die damalige Bundesrepublik betreffende Gruppierung handelte, aber die "Bewegung" an sich hatte internationale Ebenbilder, Verbündete und Mitstreiter. (und zwar nicht nur im Ersten Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden. )

Zitat:
seit jeher ein sehr breites Unterstützer-Umfeld für die RAF gegeben, welches sich für die vermeintlichen Zwecke/Ziele der RAF entweder direkt einspannen, oder aber zumindest - ein mehr oder weniger offensichtliches - Symphatisantentum erkennen ließ.
Wieso eigentlich "vermeintlich" und "einspannen"?
Ersteres suggeriert, dass es diese Ziele nicht gegeben habe, und das Zweite setzt voraus, dass jemand der die gleichen Dinge befürwortet/bemängelt nicht selbst drauf gekommen sei bzw. lediglich Mitläuferstatus hat.
Zitat:
...; und selbst Bundespräsident Heinemann verstieg sich anlässlich des Todes der Meinhof 1976 zu der Ansicht „Was immer sie getan hat, so unverständlich es war, sie hat es für uns getan.“
worin er -wenn es denn so gemeint war- auch nicht ganz Unrecht hat.
Wenn ich UM und die RAF als (extremen) Bestandteil der Bewegung ansehe, und dann schaue wie sich die Gesellschaft durch diese Bewegung mehr in Richtung Basis-Demokratie, weitgehender Autonomie des Einzelnen, und Emanzipation entwickelt hat, so ist Heinemanns Aussage zutreffend.
Die RAF war eine gewaltbereite Minderheit innerhalb einer Bewegung der wir heute Psychatrie-Enquete, Abschaffung von Kinderknästen, Freie Wählergemeinschaften, Patienten-Vertretungen, Ökologie-Bewegung und Umweltschutz, Selbsthilfegruppen und -organisationen, Mieterhilfevereine und vieles mehr das ein klein wenig mehr an Demokratie verspricht, verdanken. Und zwar völlig entmythologisiert, sondern real und nachvollziehbar.
(Das es da Fehlentwicklungen/Übertreibungen gegeben haben mag, oder andererseits das "Ziel" noch nicht erreicht ist, sei mal dahingestellt)
Zitat:
Eine Vielzahl 68-ger ist heute im - früher so verhassten - Establishment angekommen und besetzt
schlicht falsch. Das was früher als Establishment betitelt wurde, existiert doch in weiten Teilen so gar nicht mehr. (Allerdings gibts "neue" Establishments und damit sind wir dann bei deinem folgenden Satz: )
Zitat:
Damit haben sie aber auch die "Deutungshoheit" über die Vergangenheit gewonnen - und im Zuge dessen wird das Bild der RAF doch so ein "ganz klein wenig" verzerrt und verwischt. "Glorifiziert" wäre vielleicht sogar der passendere Ausdruck.
Diese Aussage hat sehr viel Ähnlichkeit mit dem, was den Eltern der 68er vorgeworfen wurde, nämlich das sie immer behaupten würden, dass früher alles besser gewesen sei.
Das dieser Vorwurf den "heutigen" Etablierten auch gemacht wird, ist erstes Anzeichen dafür, dass "wir" (als Gesellschaft gemeint) noch lange nicht die Hände in den Schoß legen sollten, weil alles sich so toll entwickelt hat. Auch die "neuen Führer" (auweia, jetzt gibts Prügel von Grün und dunkelrot) haben ihre Spiesser die es zu entfernen gilt. (gewaltfrei selbstredend )
Um mit Rudi Dutschke am Grab von Holger Meins zu sprechen: Der Kampf geht weiter!
(Führen müssen ihn jetzt allerdings die Jüngeren, die -wenn sie denn mal ihren Hintern hochkriegen- sich meiner vollsten Sympathie und Unterstützung gewiss sein dürfen)
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SiegNatur !

Geändert von MAXX (26.01.2007 um 00:13 Uhr).
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