Thema: "Angst"
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Alt 07.01.2007, 00:53
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Kamantun Kamantun ist offline
Frischling
 
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Zitat:
Zitat von Ayla Beitrag anzeigen
Oder vielleicht sogar LEBENsunfähig wird? Könnte man dies' nicht auch einen "kleinen Tod" nennen? WENN ich nicht mehr am "normalen" Leben teilnehme bin ich dann nicht auch "irgendwie tot"? Depressionen werden von Betroffenen so beschrieben - "ich fühle mich irgendwie tot - leer".
Klar. Aber wenn dieses "irgendwie tot" den "Normalzustand" darstellt, kann (bzw. muss) man sich auch damit irgend wie arrangieren.

Das Problem bspw. bei Depressionen ist ja nicht nur (oder vielleicht gar nicht?), dass man ein anderes, besseres, schöneres Leben vor Augen hat und einem einzig die Mittel zur Umsetzung fehlen, sondern das jedes andere, veränderte Leben einem durch die Depressionsbrille betrachtet genau so grau und leer und letztlich unwünschenswert vorkommt.

Also ein Teufelskreis aus Nichtwollen und Nichthandeln...
Zitat:
Kamantun: Und für sie stellt sich nicht die Frage, wie irrational ihre Ängste und wie nichtig, übertrieben oder imaginär die befürchteten Gefahren aus der Sicht von Außenstehenden sind: Für sie selbst sind sie sehr real.
Ayla: Sind sie das wirklich? Könnte es nicht auch sein, daß sie einfach ritualisiert und Gewohnheit sind? Automatismus?
Ganz bestimmt. Aber werden sie deswegen als irgend wie weniger real wahrgenommen?
Zitat:
Phobien(Ängste die ein Eigenleben entwickeln) sind behandelbar! Mit künstlich herbeigeführten Reizen und Umkehrung. Zum Beispiel würde man jemanden der Angst hat Achterbahn zu fahren vorsichtig daran gewöhnen.
Die Konfrontation mit den eigenen Ängsten ist sicherlich ein probates Mittel. Die Angst verliert in dem Moment ihre Macht über einen, wo man ihre angedrohten Höllenqualen von A-Z durchlitten hat.

Aber um erst einmal dafür bereit zu sein, sich seinen Ängsten auf die "schmerzhafte Tour" zu stellen, muss das Verhältnis zwischen momentanen Leiden (durch die Ängste verursacht), erwarteten Leiden (durch die Konfrontation mit diesen Ängsten), und erwarteten künftigen Wohlbefinden (ohne diese Ängste) stimmen.

Und für manch einen/eine stimmt dieses Verhältnis nie. (Um ein einfaches Beispiel zu bringen: Ich habe seit ich denken kann eine Klaustrophobie. Trotzdem würden mich keine zehn Pferde dazu bringen, eine Therapie zu machen, in deren Verlauf ich in Fahrstühle steigen muss, die irgend wo (kontrolliert) angehalten werden. Dazu leide ich einfach "nicht genug" unter dieser Phobie.)
Zitat:
Es gibt tatsächlich eine LUST an der Angst - warum sollten sich sonst Menschen JAHRELANG bestimmten Lebenssituationen entziehen WENN denn die Angst so hinderlich oder unangenehm sein soll?
Weil den Betroffenen diese Lebenssituationen, denen sie sich entziehen noch viel unangenehmer vorkommen, als das eingeschränkte Leben mit all den Ängsten.

Das hat, denke ich, weniger mit "Lust an der Angst" zu tun, als vielmehr mit der Vermeidung von Unlustgefühlen, welche die Ängste in bestimmten Situationen hervorrufen.
Zitat:
Sören hatte es mit Gott und dem Christentum. Er meinte daß die Grundsituation des Menschen Angst und Verzweiflung, Krankheit zum Tode sei.
Allerdings muss man dazu wissen , daß sein Vater als Kind des Nachts in der Kälte die Schafe hüten musste. Als er 12 Jahren alt war, verleitete ihn dies einmal dazu, Gott zu verfluchen. Von dort an litt er unter der Psychose, nun in die ewige Verdammnis zu müssen. Mit dieser Psychose ausgestattet, machte er später seine gesamte Familie verrückt. Die Philosophie Kierkegaards ist ein Produkt dieser psychotischen Familienverhältnisse.
Das bestätigt wohl die alte Regel: Ohne anständige Psychose keine Kreativität...
Zitat:
DAS verleitet mich dazu noch einmal zu fragen ob Angst angeboren ist oder in der heutigen Zeit doch vielleicht nur eine anerzogene Begleiterscheinung?
Wie bei allen menschlichen Eigenschaften, glaube ich, teils, teils. Zum einen Teil angeboren und in Intensität und Ausprägung (von den Eltern her) genetisch in Grundzügen festgelegt. Das lässt sehr viele mögliche Entwicklungsmöglichkeiten zu, schließt aber andererseits auch bestimmte Möglichkeiten aus.

Und was dann bei all den möglichen Entwicklungen am Ende konkret bei "rumkommt", wird durch die Umwelt beeinflusst bzw. festgelegt.
Zitat:
In der Psychologie wird zwischen Angst als Zustand (state anxiety) und Angst als Eigenschaft (trait anxiety) unterschieden. Während die Zustandsangst eine vorübergehende Emotion infolge einer realen Gefahr ist, führt die "trait anxiety" dazu, daß Situationen auch ohne akute Bedrohung als gefährlich eingeschätzt werden.

Wie kann ich das denn nun in der Praxis unterscheiden??? Wie soll ich denn nun meine Angst SUBJEKTIV betrachten?
Ich denke, dass es in einem praktischen Sinne völlig egal ist, wie Du Deine Angst subjektiv betrachtest. Auch wenn Du zu der Erkenntnis kommen solltest, dass sie vollkommen überflüssig und irrational ist, wirst Du sie dadurch nicht los.

Was nutzt Dir also diese Unterscheidung?
Zitat:
Du hast mich anfangs nach Schuld gefragt. "Schuld haben" ist doch etwas was uns eingeprägt wird, oder? Gibt es EMOTIONELL einen Unterschied? "Ich habe Angst Schuld zu haben". Ist das trennbar?
Für mich ist das schon trennbar. Ich kann das Gefühl haben, schuld zu sein, oder aber die Angst haben, eventuell schuld zu sein.

Schuldgefühle halte ich nicht automatisch für Angstgefühle. Aber sicherlich gehen oftmals Angstgefühle damit einher. Angst vor gesellschaftlicher Ächtung bspw...
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Das Auge sieht, was es sucht.
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