Thema: Mythos RAF
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Alt 27.01.2007, 14:02
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Kamantun Kamantun ist offline
Frischling
 
Registriert seit: 05.12.2006
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Vielleicht sollte ich meine Behauptungen bezüglich der Deutungshoheit der 68-ziger und der damit verbundenen verzerrten Darstellung bzw. Mystifizierung der RAF mal an einem konkreten Beispiel belegen.

Dieses Beispiel bin ich.

Obwohl die Anschläge auf Herrhausen und Rohwedder sozusagen noch "in meine Zeit fielen": So richtig bewusst mitbekommen habe ich von der RAF nur noch die Vorfälle in Bad Kleinen, als Grams und Hogefeld in eine Falle gelockt wurden und Grams schließlich unter bis heute nicht richtig geklärten Umständen um´s Leben kam.

Alles was ich sonst von und über die RAF wusste, hatte ich über die Jahre hinweg immer mal wieder aus auftauchenden Medienberichten/Dokumentationen entnommen - ohne mich aber je tatsächlich (und ganz bewusst) mit dem Thema auseinandergesetzt zu haben.

Was hängen geblieben war (und das, obwohl mich niemand in meinem Umfeld - im Gegensatz zu wate oder EU_Golfer - als "Linken" bezeichnen würde), war letztlich das Bild einer irgend wie fehlgeleiteten Art "Robin-Hood-Truppe", welche den Herrschenden nehmen wollte, um den Geknechteten zu geben. Was noch hängen blieb: Die Opfer (und der Staat sowieso) hatten irgend wo auch Dreck am Stecken und was da in Stammheim in Sachen Isolationshaft/"Selbstmorden" abgelaufen ist...naja: Der "Rechtsstaat" eben, alles klar...

Als ich nun vor ein paar Tagen im Zusammenhang mit der Diskussion um die Freilassung von Mohnhaupt und Klar mehr oder weniger zufällig auf ein paar interessante Seiten gestoßen bin und mir daraufhin mal die Mühe machte, die komplette Geschichte der RAF (und anderen Stadtguerilla-Organisationen) in allen Einzelheiten nachzuvollziehen; mir die handelnden Personen genauer anzuschauen und auch die politischen "Manifeste" der RAF im Detail durchzulesen - da war ich am Ende schon sehr überrascht. - Überrascht darüber, wie wenig mein Bild von der RAF mit den Tatsachen übereinstimmte. Wie wenig politisch, wie sehr kriminell und wie verdammt menschenverachtend die RAF - von Anfang an und bis zum Schluss - bspw. in ihren Taten und Texten daherkam.

Nun könnte manch einer natürlich berechtigter Weise fragen: Und für solch eine Erkenntnis musstest Du erst in´s Detail gehen?

Und die Antwort ist: Ja! Das von den Medien gezeichnete Bild über die RAF war irgendwie "weichgespült" gewesen und ohne das - bewusst - mitzukriegen, habe ich es im Laufe der Zeit ganz selbstverständlich zu meinem eigenen gemacht. (Wenn man über etwas kein eigenes Bild hat, übernimmt man automatisch das, welches einem angeboten wird.)

Wer weiß denn auch schon, dass Baader ein völlig unpolitisches, hochkriminelles Arschloch war; dass die Texte einer Meinhof vor Menschenverachtung nur so triefen; das die RAF, bloß um an einen Militär-Ausweis zu kommen, eiskalt einen No-Name-Soldaten umgelegt hat usw.usf. - die Liste ließe sich noch beliebig verlängern.

Solche Aspekte tauchen in den Medien entweder gar nicht auf, oder gehen in den Beschreibungen über die SS-Mitgliedschaft eines Schleyers, die Isolationshaft der RAF-Täter und vermeintlich ungeklärten Todesfällen unter.

Anderes Beispiel: Wer weiß denn eigentlich noch, dass 1993 in Bad Kleinen ein gewisser Michael Newrzella zugegen war? - Ich wusste das nicht (mehr). Und ich wusste auch nicht (mehr), dass der Mann bei der ganzen (versuchten) Festnahme-Aktion erschossen wurde. Von Wolfgang Grams.

Es gibt halt Sachverhalte und Menschen, an die erinnert man sich gut und dann gibt es Sachverhalte und Menschen, an die man sich nicht mehr so gut erinnert. Und der Name Michael Newrzella muss wohl schon in der damaligen Berichterstattung regelrecht untergegangen sein, denn sonst hätte ich nicht noch ganz genau gewusst, dass der Verdacht einer Hinrichtung von Grams im Raum stand - und von diesem Newrzella gar nichts mehr.

Mag ja sein, dass der Fehler bei mir liegt; dass ich bis vor wenigen Tagen nur das gelesen/gesehen habe, was ich lesen/sehen wollte und von Medien und Öffentlichkeit in Wirklichkeit ein sehr differenziertes, objektives Bild der RAF gezeichnet wurde und wird - allein: ich glaube es nicht.

Und wenn ich recht haben sollte, und der Fehler also nicht bei mir liegt, dann wird es sehr viele andere Leute meiner (und der nachfolgenden) Generation geben, welche ein völlig verzerrtes (weil sehr viele Aspekte und Einzelheiten völlig ausblendendes) Bild der RAF mit sich herumtragen.

Den "Mythos RAF" eben...
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