Thema: Mythos RAF
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Alt 26.01.2007, 21:25
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Kamantun Kamantun ist offline
Frischling
 
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Zitat:
Zitat von MAXX Beitrag anzeigen
Schon mal gleich gaaanz zu Anfang des Stranges -sogar im Strangtitel das erste Wort- ein diskussionswürdiges Wort, dass eigentlich schon viel vorwegnimmt, das aber ja wohl diskutiert werden soll.
Also wieso "Mythos" ?
Ein "Mythos" ist laut Wikipedia "zunächst eine Erzählung von einem oder mehreren Ereignissen, die zur Erklärung oder Deutung eines Sachverhalts herangezogen wird".

Nun werden Sachverhalte von Menschen über einen größeren Zeitraum hinweg unterschiedlich erklärt, gedeutet und interpretiert. Und so ist es auch nicht ausgeschlossen (und m.M. nach auch sehr wahrscheinlich), dass sich die Interpretation der eigentlichen Sachverhalte rund um die RAF im Laufe der Zeit (und nicht zuletzt wg. des Generationenwechsels - die Elterngeneration mehr oder weniger verschwunden; zwei Kindergenerationen neu entstanden), verändert hat.

Und da besteht m.E. schon eine gewisse Gefahr, dass die RAF in der einen oder anderen Form mystifiziert wird. (Weil eben, wie schon erwähnt, heutzutage die Deutungshoheit in den Händen derer liegt, welche durchaus als "befangen" bezeichnet werden können/dürfen/müssen.)
Zitat:
die Unterscheidung in "entweder-oder" ist der Versuch eine gesellschaftliche Jugendbewegung in "gut" und "schlecht" aufzuspalten und somit zu schwächen.
Das klingt fast so, als ob es im Sinne eines wie auch immer gearteten "Sieges" völlig egal wäre, ob eine (Jugend-) Bewegung aus guten oder schlechten Motiven heraus handelt bzw. mit welchen Mitteln - u.U. von Leuten eingesetzt, mit denen man so gar nichts gemein hat - dieser "Sieg" am Ende erreicht werden soll.

Für mich ist das (freilich in der Rücksicht und als Nichtbeteiligter) überhaupt nicht egal. Die Ausblendung von absoluten Unrecht; das Tolerieren von Mördern, Psychophaten und Arschlöchern in den eigenen Reihen, NUR UM DES SIEGES WILLEN, kann ich zwar bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehen, aber eben nicht gutheißen. (Die damaligen gesellschaftlichen Verhältnisse taugen auch nicht als Entschuldigung. Schließlich lebte man nicht in einer mörderischen Nazi-Diktatur - auch wenn das einige so gesehen haben mögen.)

Selbst wenn eine Distanzierung von solchen Leuten vielleicht eine Spaltung und Schwächung der "Bewegung" bedeutet hätte: Im Nachhinein kann man doch ganz stark vermuten, dass eine solche "Schwächung" einige Menschenleben gerettet hätte - und trotzalledem Pille, Freie Wählergemeinschaften, Patienten-Vertretungen und Selbsthilfegruppen entstanden wären.
Zitat:
Die RAF war eine gewaltbereite Minderheit innerhalb einer Bewegung der wir heute Psychatrie-Enquete, Abschaffung von Kinderknästen, Freie Wählergemeinschaften, Patienten-Vertretungen, Selbsthilfegruppen und -organisationen, Mieterhilfevereine und vieles mehr das ein klein wenig mehr an Demokratie verspricht, verdanken.
Und zwar völlig entmythologisiert, sondern real und nachvollziehbar.
Genau das scheint mir das Problem in Sachen "Mythos" zu sein: Das die RAF selbst heute noch von vielen Leuten als "Teil der Bewegung" anerkannt wird, welche dieses oder jenes an positiven Änderungen bewirkt hätte. Wenn aber auch im Nachhinein ein Bruch mit der RAF zu keiner Zeit stattgefunden hat, so scheint mir eine unbefangene Auseinandersetzung mit ihr und eine tatsächliche Aufarbeitung des Geschehenen schlicht unmöglich - und einer Mystifizierung wird Vorschub geleistet.

(Im Übrigen lasse ich mich ja notfalls noch mit dem Argument erschlagen, dass erst die RAF und die französische "Action Directe" - wie auch immer - die Weichen für Veränderungen in ganz West-Europa gestellt hätten (allerdings glaube ich das nicht) - nur: Die eigentliche Weichenstellung hätte doch sowieso spätestens mit dem unvermeidbaren Marsch der 68-ziger durch die Instutitionen stattgefunden! Also: Wofür genau war die RAF in irgend einer Form notwendig?)
Zitat:
Im Übrigen wurde beides -von den jeweiligen "Praktikern" durchaus als Form des Widerstandes gegen die herrschenden Zustände interpretiert.
Gegen die "herrschenden Zustände" waren aber auch schon die Nazis und späterhin (im Osten) die sogenannten "Kommunisten" gewesen - das ist für mich nicht wirklich ein Argument...
Zitat:
Nicht zutreffend ist der eingeschobene Baader-Hinweis. Natürlich gab es in der Bewegung auch Personen denen Eitelkeiten und kriminelle Energien zuzusprechen sind, aber.
1. war das nicht die Regel
2. wurde dieses Baader-Beispiel oft angeführt, um die Täter als einfache Kriminelle darzustellen, und Ihnen die berechtigten politischen Ziele abzusprechen. Jemanden zum Kriminellen zu reden/schreiben/machen war zu damaliger Zeit einfacher, als zuzugeben bzw. anzuerkenenn dass einiges im Argen lag mit der bundesrepublikanischen Nachkriegsgesellschaft.
Zu 1: Es mag nicht die Regel gewesen sein, dass ein eitler, gewalttätiger, profilierungssüchtiger, krimineller und völlig unpolitischer Egomane in der "Bewegung" aufgetaucht ist - aber zufällig reden wir hier von dem Mann, der wie kein anderer für den Namen "RAF" steht; welcher sie mitbegründet hat, und welcher von nicht wenigen zu einer Art "Idol" hochstilisiert bzw. verklärt wurde.
Zu 2: Wo genau und an welcher Stelle waren denn die RAF-Täter keine "einfachen" Kriminellen?

Ok, sie haben einen (von mir aus auch subjektiv "berechtigten") politischen Grund vorgeschoben - das macht sie doch aber nicht zu Mördern "anderer Klasse", welche sich von den "einfachen" Kriminellen (Mördern) in positiver Weise unterscheiden würden - ein Mörder ist und bleibt nun mal ein Mörder, oder nicht?
Zitat:
3. schließt Kriminell sein (wobei eigentlich sogar erst mal zu klären wäre, wer die Kriterien für "kriminell" festlegt bzw. wie es zu der Definitin kommt) nicht zwangsläufig aus, dass sich jemand gesellschaftskritisch, sozial, politisch einsetzt. (ich verzichte hier absichtlich mal auf Beispiele aus der jüngeren aktuellen Politik )
Du hast vollkommen recht. Negativbeispiele aus der aktuellen Politik gäbe es genügend.

Nur: Das Thema hier lautet RAF.

Und ja: Kriminell sein (Definition in diesem Fall: Ohne Not Menschen entführen, verletzen oder gar töten), schließt soziales oder politisches Engagement selbstverständlich nicht aus. Nur erstens macht das begangenes Unrecht nicht wett und zweitens kann ich dieses Engagement der RAF auch nirgend wo erkennen. Wenn ich das nicht falsch sehe, hat sie ein paar völlig sinnlose Anschläge auf "Wirtschaftsbonsen", Soldaten und Natoeinrichtungen verübt ("Kollateralschäden" gerne in Kauf nehmend); und ansonsten viel Zeit damit verbracht, ihre Mitstreiter aus den Gefängnissen herauszupressen.
Zitat:
4. es sollte nicht vergessen werden, dass es sich bei der RAF zwar um eine ausschließlich die damalige Bundesrepublik betreffende Gruppierung handelte, aber die "Bewegung" an sich hatte internationale Ebenbilder, Verbündete und Mitstreiter. (und zwar nicht nur im Ersten Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden. )
Stimmt, in Frankreich und Italien gab es ebenfalls Terrorgruppen.

Und das heißt jetzt was?
Zitat:
Wenn ich UM als (extemen) Bestandteil der Bewegung ansehe, und dann schaue wie sich die Gesellschaft durch diese Bewegung mehr in Richtung Basis-Demokratie, weitgehender Autonomie des Einzelnen, und Emanzipation entwickelt hat, so ist Heinemanns Aussage zutreffend.
Eine konstruktive Bewegung mit der absolut destruktiven RAF in einen Topf zu schmeißen halte ich für genau so falsch wie den Satz Heinemanns.
Zitat:
Das was früher als Establishment betitelt wurde existiert doch in weiten Teilen so gar nicht mehr.
Hoppla?

Klär´ mich mal auf...
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Das Auge sieht, was es sucht.

Geändert von Kamantun (26.01.2007 um 21:32 Uhr).
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